Wir alle versuchen unsere Kinder zu schützen und sie von traurigen oder gar tragischen Nachrichten fernzuhalten. Was ist besser: die heile Welt zu imitieren, kontrollierte und wohldosierte Information über die Kriege und das Elend zu verabreichen oder die schonungslose Offenheit zu praktizieren? Keiner weiss es, es gibt kein Pauschalrezept dafür.

Manchmal ereignen sich aber Dinge, auf die wir überhaupt keinen Einfluss haben, nicht vorbereitet sind und nicht einmal ahnen, ob wir richtig oder falsch gehandelt haben.

Bevor die Gerüchteküche zu brodeln anfängt, möchten wir Ihnen berichten, wie die Beteiligten den Vorfall erlebt haben.

Am 12. Juni machte unsere ABC-Bande einen Ausflug auf die Apfelwiese. Neun Kinder hatten einen wunderschönen Vormittag in der Natur verbracht und waren mit Erzieherinnen Darya Andronava und Valeria Livshits auf dem Rückweg in die Einrichtung.

Darya und Valeria erzählen, dass an der U-Bahn-Station „Messe“ der Zug seltsamerweise etwas länger stehen blieb, die Zugtüren ebenfalls ungewöhnlich lange offen blieben. Es waren auch undefinierbare Geräusche, sogar Lärm von der Plattform zu hören, und irgendwelche Männer rannten hin und her.

„Plötzlich fingen die Kinder an zu husten. Eins nach dem Anderen. Zuerst dachten wir, dass die Kinder nur aus Spass sich gegenseitig nachahmen. Nach ein paar Minuten waren auch fast alle erwachsenen Fahrgäste im ersten Wagen des Zuges am Husten. Durch die offene Tür sahen wir, wie ein großer, südländisch aussehende Mann die Rolltreppe hinunter lief. Er war übergewichtig und trug eine riesengroße schwarze Tasche mit sich. Als er durch die erste Tür am Führerraum hinein ging, wurde es im Wagen still.

Der Mann schrie mit einem starken Akzent, es waren Worte wie „Kinder sterben“ , „Bomben fallen“, „Warum müssen die Anderen sterben?“ An seinem Ärmel habe ich eine gestickte Flagge von Iran erkennen können. Er war unmittelbar in unserer Nähe.“, Valerias Stimme zittert.

Die Kolleginnen waren in einer Zwickmühle. Das Schwierigste war, dass es keine optimale Lösung gab. Mit neun kleinen Kindern unauffällig zu fliehen war unmöglich. Und im Wagen sitzen zu bleiben schien auch gefährlich zu sein – der Reizhusten quälte alle Kinder und andere Fahrgäste. Das die Atemluft durch irgendein Gas verseucht wurde, war klar.

„Wir sind beide aufgestanden und die Kinder mit unseren Körpern verdeckt. Hauptsache, der Kerl kommt nicht so leicht an die Kleinen ran. Erst hinterher, am Abend, fiel mir ein, dass ich an meine eigenen Kinder und an die Gefahr, in die ich mich selbst begab, gar nicht gedacht habe.“, so Valeria.

Das Wohl und die Sicherheit der Kleinen, für die unsere Kolleginnen die Verantwortung in diesem Moment trugen, hatten die oberste Priorität.

„Zum Glück saßen die Vorschüler still, wurden nicht hysterisch und gerieten nicht in Panik. Der Fahrer und der Eindringling sprachen laut miteinander, dann sagte uns der Fahrer, wir sollten mit den Kindern schnell hinausrennen und wir verließen zügig den Wagen und die Station.“, berichtete Darya.

Unsere Kolleginnen informierten umgehend die Polizei (später erzählte sie uns, dass zwei Verdächtige Männer festgenommen wurden, die man dank der Überwachungskameras als Täter identifizierte). Auch beim Gesundheitsamt suchten Darya und Valeria Hilfe. Die zuständigen Berater empfahlen bestimmte Maßnahmen bei eventuellen gesundheitlichen Beschwerden. Zusammengefasst: Ruhe, viel trinken und den Zustand der Kinder beobachten. Alle Eltern der betroffenen Vorschüler wurden persönlich über den Vorfall informiert mit der Bitte, ganz besonders auf den emotionalen und körperlichen Zustand des Kindes zu achten.

Wir bewundern Darya und Valeria für ihren Mut, für die Fähigkeit, in so einer Situation kühlen Kopf zu bewahren und ihrer Bereitschaft sich selbst in Gefahr zu bringen, nur um Kinder zu schützen.

Wir haben die Kinderpsychologin Frau Dr. Maucher konsultiert, um zu erfahren, worauf man bei betroffenen Kindern in den nächsten Wochen achten sollte. Es kommt öfter vor, dass Stressreaktionen erst ein paar Tage versetzt nach dem Ereignis sichtbar und spürbar werden. Bei Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit bei einst lebhaftem Kind, unkontrolliertem Weinen und untypischen Angstzuständen sollten Eltern unbedingt professionelle psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Beim Kinderschutz Frankfurt können Experten „erste Hilfe“ leisten und bei Bedarf an auf Kriseninterventionen spezialisierte Kollegen überweisen. Der von Frau Dr. Maucher empfohlene Kinderpsychologe Herr Julius Niebergall empfielt, sobald bei Kindern ein Redebedarf entsteht, auf keinen Fall zu bagatellisieren, entwerten – „ach was, war doch nicht so schlimm!“, sondern zu sagen, dass es normal ist in so einer Situation Angst zu haben. Dramatisieren sollte man ebenfalls nicht. Die Rolle der Erwachsenen als Schützer sollte in diesen Gesprächen hervorgehoben werden: Erzieherinnen haben auf euch aufgepasst und euch geholfen, die Polizei war auch schnell da, ihr seid auf jeden Fall von zuverlässigen hilfsbereiten Erwachsenen umgeben.

Valeria und Darya stehen den betroffenen Eltern bei Fragen über den Vorfall zur Verfügung.

P.S. Am Nachmittag saßen alle Vorschüler muxmäuschenstill zusammen und malten, und malten, und malten…

https://www.kinderschutzbund-frankfurt.de/Beratungsstelle_Angebote_fuer_Kinder_und_Eltern