Dachverband für mehrsprachige Kindererziehung Zweisprachigkeit ist modern
Fast so vielseitig und international wie Frankfurts Einwohner sind auch die Kindertagesstätten im Stadtgebiet. Hier setzen Träger und Erzieher seit über einem Jahrzehnt auf Mehrsprachigkeit. Nun wurde ein deutschlandweiter Dachverband für mehrsprachige Kindererziehung gegründet
Frankfurt.
Wer die Wahl hat, hat die Qual: Für Eltern, die ihr Kind in Frankfurt zweisprachig aufwachsen lassen wollen, gibt es inzwischen etliche Möglichkeiten, sich dafür auch die entsprechende Kita zu suchen. „45 Kitas im Stadtgebiet konzentrieren sich auf Mehrsprachigkeit, die meisten davon sind auf eine Fremdsprache neben Deutsch begrenzt. Einige setzen auf die sogenannte Trilingualität, „die Kombination aus drei Sprachen“, erklärt Julia Zabudkin, Vorsitzende des neu gegründeten „Dachverbands zur Förderung von Mehrsprachigkeit in frühkindlicher Bildung und Erziehung“ (DMBE), der sich gestern mit Vorträgen und Workshops erstmals für Pädagogen und Studenten auf dem Westend-Campus der Goethe-Universität präsentierte.
Neben 22 Kitas mit Schwerpunkt Englisch und elf mit Französisch sind auch andere Sprachen vertreten: „In Frankfurt gibt es außerdem sieben russische, fünf spanische, drei italienische und je eine arabische, portugiesische, türkische, japanische, chinesische und polnische Einrichtung“, zählt Zabudkin die Möglichkeiten auf, die Frankfurt damit deutschlandweit zur Stadt mit dem zweitgrößten Anteil an bilingualen Kitas macht. Auf Platz 1 liegt traditionell Saarbrücken, wo viele Kinder durch die Nähe zur französischen Grenze seit vielen Jahren von zweisprachigen Einrichtungen profitieren. „Die Vielfalt ist in der Mainmetropole jedoch größer – und die Nachfrage steigend“, weiß Zabudkin, die mit der Kita „Nezabudka“ (Vergissmeinnicht) vor zehn Jahren die erste deutsch-russische Einrichtung ins Leben gerufen hat.
Loses Netzwerk
Aus diesem Grund haben sich acht der Frankfurter Träger, die fast alle aus Elterninitiativen und Vereinen entstanden sind, zum DMBE zusammengeschlossen: „Wir wollten damit das lose Netzwerk, das bereits in den einzelnen Gründungsphasen entstanden ist, weiter vertiefen“, erklärt Zabudkins Stellvertreter Frédéric Claude, der vor 13 Jahren mit „Le Jardin“ (der Garten) die erste deutsch-französische Kita gründete.
„Dabei geht es darum, dass Kinder spielerisch schon von frühester Kindheit an eine zweite Sprache erlernen“, erklärt Claude. Die meisten Einrichtungen nutzen dafür ein klares Prinzip: „Eine Person – eine Sprache“, so wie Wissenschaftler auch die zweisprachige Erziehung bei Eltern aus verschiedenen Kulturen empfehlen. „In guten zweisprachigen Einrichtungen haben Kinder es da auch immer mit Muttersprachlern beider Sprachen zu tun, die auch wichtige kulturelle Inhalte vermitteln“, erklärt Zabudkin. Dass nur noch mehrsprachige Eltern ihre Kinder in solchen Kindergärten anmelden, sei längst überholt: In den inzwischen drei Kitas von „Nezabudka“ kommen rund 20 Prozent der Kinder aus Familien ohne russischsprachige Elternteile, in Claudes Einrichtungen sind es sogar 40 Prozent, die vorher keine Verbindung zur französischen Sprache haben.
Noch viel Arbeit
Trotz des großen Erfolgs bilingualer Kitas in Frankfurt und die stete Bestätigung durch Wissenschaft und Forschung, dass sich zweisprachige Erziehung schon in jungen Jahren auf spätere Sprach- und Sozialkompetenzen positiv auswirkt, spricht der Dachverband auch Probleme an, die sich zum Teil deutschlandweit auswirken. „Da geht es zum einen um die Tatsache, dass die Vorarbeit aus dem Kindergarten oft mit Eintritt in die Grundschule verloren geht, weil es zu wenige Schulen mit bilingualen Klassen gibt. Daran wollen wir arbeiten“, haben sich Zabudkin und ihre Mitstreiter vorgenommen. Ein weiteres Problem sei, dass oft ausländische Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt würden: Auch dafür will sich der Dachverband einsetzen.
Zabudkin und Claude geht es nun vor allem darum, andere Träger zu erreichen und als Mitglieder zu gewinnen: „Dafür, dass es uns erst seit November gibt und wir uns heute zum ersten Mal präsentieren, ist der Zulauf aber schon unfassbar gut“, betont die 38-Jährige. Anfragen aus Berlin und Dresden sind beim Verband schon angekommen.
(ska)
http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Zweisprachigkeit-ist-modern;art675,1899026